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In Memoriam Jorge Semprún •Felipe González und Norbert Lammert erinnern im Gespräch mit Wolfgang Herles an den europäischen Schriftsteller und Politiker •Das Blaue Sofa bei Bertelsmann Unter den Linden •Am 12. Dezember um 20 Uhr Berlin, Dezember 2011. Nach mehr als sechzig Jahren friedlicher Koexistenz steht das Projekt Europa heute an einem Wendepunkt, seine politische Philosophie ist bedroht. Historiker, Philosophen, Feuilletonisten und Politiker rufen nach einem „europäischen Narrativ“. Der spanische Dichter Jorge Semprún, der am 7. Juni 2011 verstarb, hätte bei dieser europäischen Erzählung helfen können. Jorge Semprún wurde am 10. Dezember 1923 in eine republikanische Familie geboren, die im Bürgerkrieg von Madrid ins Exil floh, als Jorge acht Jahre alt war. Semprún ging in Paris zur Schule, studierte Philosophie und schloss sich 1941 der kommunistischen Résistance an. 1944 verhaftete, verhörte, folterte ihn die Gestapo und depor-tierte den politischen Häftling in das Konzentrationslager Buchen-wald. Nach achtzehn Monaten in der Hölle kehrte Semprún als Staatenloser nach Paris zurück und kämpfte als Mitglied der Kommu-nistischen Partei Spaniens gegen das Franco-Regime. Die Partei war ihm Familie und Heimat zugleich – bis er 1963 Solschenizyns „Iwan Denissowitsch“ las und die spanische KP aufforderte, ihre Verbrechen aufzuarbeiten. Nach dem Parteiausschluss widmete er sich seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Daneben wurde er als Drehbuchautor großer Filme bekannt u.a. von La guerre est finie (Der Krieg ist aus, 1966), Z (1968) und L'aveu (Das Geständnis,1970) - in einer Zeit, als die frankistische Diktatur Kino als moralisches Ärgernis ablehnte. Spanien war seit vier Jahren eine parlamentarische Monarchie, die „Transición“ war geglückt, als Felipe Gonzaléz 1982 Ministerpräsident wurde. Das Land erlebte unter dem Hoffnungsträger einen wirt-schaftlichen Aufschwung, wurde Mitglied der NATO und der EU. 1988 ernannte Gonzaléz seinen Freund Semprún zum Kulturminister, um mit ihm europäische Werte in der jungen Demokratie zu verankern – ein genialer Schachzug und eine wichtige Botschaft an die spanische Linke, denn der Kosmopolit stand wie kein anderer für Tradition und Moderne. Semprún hatte die Gräuel der europäischen Totalitarismen erlitten, bekämpft und literarisch verarbeitet, sein vielschichtiges Werk war Bestandteil des kulturellen Gedächtnis. Für viele Spanier war Semprún vor allem der Enkel von Antonio Maura, dem berühmten republikanischen Ministerpräsident, der fünf Mal unter König Alfonso XIII. regiert hatte. Als Essayist und Schriftsteller hatte seine Stimme Gewicht und als Drehbuchautor der „nouvelle vague“ hatte er u.a. mit Alain Resnais, Costa Gavras und Yves Montand mit Autorenfilmen den traditionellen Film revolutioniert und das Kino als modernste Kunst-form etabliert. Trotz seiner Erfahrungen in Buchenwald hegte Semprún große Sympathien für die Deutschen: hatten sie doch zwei totalitäre Systeme überwunden und aufgearbeitet. Europa war ihn „ein allge-meines und gemeinsames politisches Projekt, das Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit garantierte. Die Staatengemeinschaft war für ihn nicht geographisch oder wirtschaftlich begrenzt, vielmehr stand sie für die kulturell gewachsene „Einheit eines geistigen Lebens, Wirkens, Schaffens“: von der griechischen Demokratie, über den römischen Rechtsstaat zu Aufklärung und Revolutionen schließlich zur Euro-päischen Gemeinschaft. Rechtsstaatlichkeit und gemeinsamer Markt bildeten für ihn keine Werte, sondern nur die Basis für die Globali-sierung des europäischen Geistes. Seine Forderung an die Europäer „Es ist an jedem von uns, dieses Projekt mitzutragen, es zu verteidigen und mit Leben zu erfüllen! “ ist heute aktueller als zuvor.
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⧼wm-license-information-source⧽ | Lydia Diaz, Enrique Báron Crespo, Sófia Gandaris, Fernando Carro + Werner Schmitt |
⧼wm-license-information-author⧽ | Blaues Sofa from Berlin, Deutschland |
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